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Musikerin Marie Bothmer aus Bayern im Interview: "Es bringt nichts, sich mit Trollen anzulegen"


Singende Gräfin Marie Bothmer
"Auf der Bühne kenne ich keine Scham"

InterviewVon Katharina Weiß

08.05.2023Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Sängerin Marie Bothmer kommt aus Bayern und ist adelig (Archivbild): Inzwischen lebt die Gräfin in Berlin. (Quelle: IMAGO/Michael Kremer)

Sie wird millionenfach gestreamt, ist adelig – und lebt in einer Studentenbude. Popsängerin Marie Bothmer über Luxus, Statussymbole und Freundin Nina Chuba.

Marie von Bothmer aus der Chiemseeregion ist eine echte Gräfin, mütterlicherseits ist sie sogar mit dem dänischen Königshaus verwandt. Doch außer ihrem Adelstitel hat sie nicht viel davon. Als Sängerin kommt sie gerade so durch. Es gibt eher Billigwein aus dem Tetrapack statt Crémant – und statt auf Schloss Bothmer zu wohnen, das in Klütz an der Ostsee steht und der Gemeinde gehört, lebt sie in einer Studentenbude.

Diesen Kontrast hat die bayerische Musikerin in den Sozialsatire-Song "Bothmer Schloss" gepackt. Das Thema des dauerhaft "broke", also pleite, zu sein, scheint viele ihrer Altersgenossinnen anzusprechen. t-online trifft Marie Bothmer – ihr Künstlername verzichtet auf den Titel – in einem Biergarten, vor dem Konzert gibt es deftigen Kartoffelsalat statt Kaviar. Ein Gespräch über den deutschen Jungadel, Hass aus dem Internet und Türsteher, die einen Hofknicks machen.

t-online: Wie hältst du dich aktuell als Nachwuchskünstlerin über Wasser?

Marie Bothmer: Musikförderungen sind immer eine feine Sache, ansonsten studiere ich Linguistik und habe einen Nebenjob. Um mir neue Klamotten für die Tour zu kaufen, musste ich also schon mal das Konto überziehen.

Weil Du bei deinem Hofschneider bestellt hast?

Meine Wahl ist eher Humana, die Second-Hand-Kette. Ganz lange habe ich mich auch gar nicht für Fashion interessiert, ich trage immer noch gerne Jeans, die in meinem Schrank hängen, seitdem ich 14 bin – da sind mir die Mottenlöcher egal. Aber mittlerweile habe ich Spaß daran, in Vintage-Läden nach modischen Fundstücken zu suchen. Der Hype um Marken ist in meinen Augen total überflüssig. Vielleicht kommt das auch daher, dass ich in einer Gegend aufgewachsen bin, in der das viele anders gesehen haben. Wenn in meiner Jugend jemand mit einem Porsche um den Chiemsee gefahren ist, dann fand ich das damals schon total cringe.

Warum bist Du in Bayern und nicht auf Schloss Bothmer in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen?

Dass Vorfahren von mir in einem Schloss gelebt haben, ist auch schon Ewigkeiten her. Die Bewohner wurden nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet, zu DDR-Zeiten stand es dann lange leer, anschließend wurde ein Altersheim daraus gemacht. Vor ein paar Jahren war das dann von der Gemeinde restauriert und für den Tourismus geöffnet. Ich war auch nur einmal als Besucherin dort.

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Welche Rolle spielt der Adelstitel in deinem Leben?

Ich bin sehr interessiert an meiner Familiengeschichte und habe dazu auch viel recherchiert. Trotzdem bin ich keine Monarchistin. Für mich hat der Titel nichts zu bedeuten, denn es kann sich niemand aussuchen, wo oder wie er geboren wird, und deshalb sollte man sich nichts auf seinen Nachnamen einbilden. Meine Familie ist auch sehr normal, meine Mutter ist Heilpädagogin, mein Vater Mathematiker und Krimiautor. Nur am Eingang von Münchner Clubs fiel ich gelegentlich auf: Türsteher blickten oft auf meinen Ausweis und brachten danach einen Spruch oder machten einen Hofknicks.

Warst du in der bayerischen Hauptstadt umgeben von Jungadel und Hautevolee?

Ich kenne zwar ein paar andere Menschen, die Baron oder so was sind – aber Teil der High Society war ich nie. Aber in München hilft so ein Name bestimmt, wenn man eine Wohnung sucht oder einen Tisch auf dem Oktoberfest reservieren möchte.

In deinem neuen Song singst du "Geh’ nicht mehr auf Rendezvous mit irgendwelchen Von-und-Zus" – waren die Blaublütigen so miese Liebhaber?

Das war tatsächlich ein Scherz, in Herzensangelegenheiten stehe ich eher auf Normalsterbliche. Und falls mir mal ein sexy Graf über den Weg gelaufen wäre, hätte ich ihn vermutlich gebeten, dass wir erst einmal unseren Verwandtschaftsgrad checken, um keinen Inzest zu betreiben.

An welchen Dingen bist du reich im Leben?

Ich bin sehr reich an fabelhaften Freundinnen und dankbar für mein loyales Freundesnetzwerk. Außerdem habe ich einen Hund, der mir ganz viel Liebe gibt.

Ein Schlosshund?

Eher ein kleiner Schoßhund.

Der Personalausweis von Marie Bothmer mit geschwärzten Stellen (Archivbild): Über ihren Adelstitel hat die Gräfin ein Lied gemacht.
Der Personalausweis von Marie Bothmer mit geschwärzten Stellen (Archivbild): Über ihren Adelstitel hat die Gräfin ein Lied gemacht. (Quelle: Bothmer)

Zur Person

Die Musikerin Marie Bothmer wurde 1995 in Prien am Chiemsee geboren. Inzwischen lebt und studiert sie in Berlin. Zu ihren erfolgreichsten Musikstücken zählen "Es braucht Zeit", das auf dem Soundtrack des Til-Schweiger-Films "Unsere Zeit ist jetzt" zu hören ist, und "Ich dein Alles, Du mein Nichts", das auf YouTube bislang 4,4 Millionen Mal gestreamt wurde.

Zu deinen engsten Freundinnen zählt auch die Rapperin Nina Chuba. Gegen diese erheben sich immer wieder Hasswellen im Internet. Ein Vorwurf: Sie sei eine sogenannte "Industry Plant", ihr Erfolg sei also auf eine durchgeplante Kampagne ihrer Plattenfirma zurückzuführen, ohne dass sie selbst einen signifikanten künstlerischen Beitrag leiste. Was denkst du darüber?

Der Begriff der "Industry Plant" trifft theoretisch auf jeden zu, der bei einem Label gesignt ist und Erfolg hat – denn da kann man immer sagen: Die Plattenfirma nimmt dir alles ab, du musst gar nichts selber leisten. Wenn man groß wird, gibt es immer Hass – und bei Frauen fällt er auch noch etwas heftiger aus.

Ich lese manchmal die Kommentare und muss mich sehr zurückhalten, mich nicht einzumischen. Instinktiv würde ich mich in diesem Moment natürlich gerne vor meine Freundin schmeißen. Aber es bringt nichts, sich mit irgendwelchen Trollen im Internet anzulegen.

Wie entstehen deine Songs?

Mit einer klaren Vision, an der ich auch täglich arbeite – oft und gerne auch mit anderen Musikerinnen zusammen. Auf meinem kommenden Album singe ich zum Beispiel einen Song zusammen mit Madeline Juno. Es ist eine gängige Praxis, Alben mit einem Team aus befreundeten Kreativen zu schreiben.

Teile deiner Musik bedienen sich am Genre des Rap. Dort spielen Statussymbole traditionell eine große Rolle. Inwiefern spielt das eine Rolle bei deinen Inszenierungen?

Ich bin mit Hip-Hop aufgewachsen. Dank meines Studiums der Amerikanistik hatte ich die Chance, das zu reflektieren und zu lernen, dass man sich als weiße Person vom Chiemsee nicht an jedem Rap-Element bedienen darf. Deshalb sehe ich mich eher als Gast in diesem Genre. Generell spielen Statussymbole keine Rolle in meinen Liedern. Und auch bei meiner Tour im Oktober werde ich eher auf die Nähe zum Publikum setzen, statt auf dicke Hose zu machen.

Du hast vor Kurzem deine erste eigene Headliner-Tour gespielt. Das Überraschende: Richtig viele Leute können jetzt schon deine Texte mitsingen. Wie erklärst du dir das?

Auf der Bühne kenne ich keine Scham und erzähle in meinen Liedern sehr Persönliches aus meinem Leben – dabei spreche ich Themen an, mit denen sich vielleicht auch andere identifizierten können. Das Album, das im Spätsommer kommt, beinhaltet zum Beispiel einen Song namens "Limbo". Es geht darum, dass ich ein pathologischer "People Pleaser" bin – also jemand, der es anderen Menschen oft um jeden Preis recht machen möchte und dabei die eigenen Bedürfnisse aus den Augen verliert. Das Lied "Gang" dreht sich hingegen um das Thema Grüppchenbildung: In der Schule, am Arbeitsplatz oder in der Musikindustrie formen Leute manchmal eine Clique und man will so gerne dazugehören – erntet aber nur Zurückweisung.

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Im Oktober gehst du erneut auf Tour in ganz Deutschland: Vermisst du manchmal die bayerische Heimat?

Ich vermisse vor allem meine Familie. Und im grauen und kalten Berliner Winter sehne ich mich immer nach dem Chiemsee. Bayern ist für mich Ruhe, Idylle – und irgendwie eine heile Welt, zu der ich sehr gerne zurückkomme.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Marie Bothmer
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