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Millionenstrafe für Umweltschutz: Die Rache der Klimasünder ist heiß und teuer


Millionenstrafe wegen Umweltschutz
Die Rache der Klimasünder ist heiß und teuer

  • Theresa Crysmann
MeinungVon Theresa Crysmann

Aktualisiert am 26.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Eine Ölplattform im Eine Ölplattform im Meer: Seit 2015 vergibt Italien keine neuen Öl- und Gasbohrerlaubnisse in Küstennähe mehr. Einem Ölkonzern muss das Land nun Hunderte Millionen in Entschädigung zahlen.:Vergrößern des Bildes
Eine Ölplattform im Meer: Seit 2015 vergibt Italien keine neuen Öl- und Gasbohrerlaubnisse in Küstennähe mehr. Nun muss das Land einem Ölkonzern 190 Millionen Euro Entschädigung zahlen. (Quelle: IMAGO/Philip Stephen)

Energiekonzerne verlassen sich auf juristische Knüppeltrupps, um ihr klimaschädliches Geschäft zu schützen. Das Geld dafür ziehen sie den Steuerzahlern aus der Tasche.

Selbstjustiz hat im 21. Jahrhundert nichts verloren. Außer man lenkt sie in legale Bahnen, wie es viele internationale Unternehmen tun. Ihre privaten Schattengerichte sind im wahrsten Sinne Gold wert. Zuletzt mehr als 190 Millionen Euro.

So hoch ist die Summe, die sich gerade der britische Öl- und Gasförderer Rockhopper Exploration vor einem Schiedsgericht gesichert hat. Der Grund: Um das Klima zu schützen, erlaubt Italien seit 2015 in Küstennähe keine neuen Probebohrungen mehr. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, fand Rockhopper.

Schließlich habe man schon Gelder in Explorationsprojekte im Küsten-Ölfeld Ombrina Mare gesteckt. Das Unternehmen klagte 2017, am Mittwoch gab das Privattribunal ihm recht. Ausbaden müssen es nun die italienischen Steuerzahler.

Berichte hierzu sucht man in deutschen Tageszeitungen allerdings vergeblich. Was in Schiedsverfahren entschieden wird, erreicht selten die breite Öffentlichkeit. Dabei werden dort Gesetze zerpflückt und öffentliche Gelder geschreddert. So auch bei der Klage gegen Italien.

Viel mehr Schadensersatz als Schaden

Klimakrise? Egal. Umweltschäden? Irrelevant. Dass der tatsächliche wirtschaftliche Schaden für das Unternehmen deutlich kleiner ausfallen dürfte als die Entschädigungssumme? Ein schöner Bonus für die Chefetage.

Denn: Die Höhe der Strafe bezieht sich auch auf mögliche zukünftige Gewinne, die Rockhopper theoretisch durch die Lappen gehen könnten. Die Berechnung ist die kapitalistische Abwandlung von "Hätte, hätte, Fahrradkette". Doch das ist nur eines von zig Mankos in einer juristischen Parallelwelt, an der Unternehmen und Anwaltskanzleien seit Jahren bauen.

Wer unzufrieden ist, hat Pech

Regelmäßig werden Auseinandersetzungen zwischen Staaten und ausländischen Investoren vor privaten Schiedsgerichten entschieden. Vorteile gibt es viele – außer für die Staaten. Während diese sich dort für Arbeits- oder Klimaschutzgesetze verteidigen müssen, klagen die Unternehmen aus Profitinteresse. Wer mit der Entscheidung der Schiedsrichter nicht zufrieden ist, hat Pech. Anders als bei öffentlichen Gerichten lassen sich die Urteile meist nicht anfechten.

Hinzu kommen enorme Verfahrenskosten, die gerne mal an der Millionengrenze kratzen. Die Bezahlung für die Anwälte kommt noch obendrauf: Die private Beilegung von Streitigkeiten zwischen Firmen und Staaten hat sich mittlerweile zu einem höchst lukrativen Geschäftszweig für spezialisierte Kanzleien entwickelt.

Verhandlungen finden dabei unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, viele Verfahren werden nicht einmal bekannt. Dieser Kontext ist völlig ungeeignet, um Klagen gegen demokratische politische Entscheidungen zu prüfen. Schon die Androhung einer Klage kann Regierungen einschüchtern und Gesetze für das Gemeinwohl abwürgen, bevor sie es überhaupt aufs Papier geschafft haben.

Schuld sind Knebelverträge

Trotzdem landen viele Staaten vor privaten Schiedsgerichten. Ihnen bleibt keine Wahl: Die Tribunale sind das Herz von Freihandelsverträgen wie TTIP zwischen der EU und den USA oder dem euro-kanadischen CETA-Deal. Sie finden sich aber unter anderem auch im Energiecharta-Vertrag, einem internationalen Abkommen über Energiebeziehungen, das nun Italien zum Verhängnis geworden ist.

Es sind Knebelverträge: Wer besseren Zugang zu ausländischen Märkten will und internationale Unternehmen anlocken möchte, kommt nicht um sie herum. Ganz oder gar nicht.

Italien war kurz vor Bekanntgabe seines Ölbohrverbots zwar aus dem Energiecharta-Vertrag ausgestiegen – offiziell hieß es, man wolle die jährliche Mitgliedschaftsgebühr von einer Drittelmillion einsparen. Doch die einstige Unterschrift wirkt nach. Noch bis 2036 können Unternehmen retrospektiv klagen.

Deutschland ist weiterhin Mitglied im Energiecharta-Vertrag. Dabei hätte dieser die deutschen Steuerzahler beinahe rund 6 Milliarden Euro gekostet. Das Energieunternehmen Vattenfall hatte den Bund vor einem Schiedsgericht in Washington D.C. wegen Gewinnausfällen durch den Atomausstieg angeklagt.

Vergangenen Sommer wurde das Verfahren gestoppt, die ehemalige Regierung sagte dem Konzern auf anderem Wege 1,4 Milliarden Euro als Entschädigung zu. Aber: Neue Klagen sind möglich. Und wahrscheinlich.

Nächste Klagewelle steht bevor

Gerade viele Öl- und Kohlekonzerne dürften ihr klimaschädliches Geschäft mit Klauen und Zähnen verteidigen. Sobald die Bundesregierung das Datum für den endgültigen Kohleausstieg in Deutschland konkretisiert, könnte die nächste Klagewelle kommen.

Der Europäische Gerichtshof will das verhindern. 2021 sackte das Gericht den Schiedsgerichtsteil des Energiecharta-Vertrags ein. Das interessiert private Schiedsgerichte in Übersee aber anscheinend wenig; sie führen anhängige Verfahren weiter.

Neben Steuergeldern in Milliardenhöhe setzen diese Schattengerichte auch die Energiewende aufs Spiel. Das Klagerisiko kann gerade ärmere Staaten davon abbringen, Kohle, Öl und Gas den Rücken zu kehren – doch ohne diese Länder lässt sich das Klima nicht retten.

Der Energiecharta-Vertrag muss daher beerdigt werden. Griechenland, Polen, Frankreich und Spanien versuchen das bereits. Sie wollen auch die Auslaufklausel löschen, die Unternehmensklagen noch 20 Jahre nach Untergang der Charta ermöglicht. Deutschland sollte sich ihnen anschließen. Auch aus Selbstschutz. Wir dürfen uns nicht erpressen lassen.

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